Autor: formlos

  • Schotterplatz #17 Mensch, Maier!

    Schotterplatz #17 Mensch, Maier!

    In der Geschäftsstelle von Hertha BSC reichte kürzlich ein gewisser Arne Maier seinen Wechselwunsch ein. Maier ist in Ludwigsfelde bei Berlin geboren und spielt seit der Jugend bei Hertha. Er gilt mit seinen jetzt 21 Jahren als eines der größten Talente im deutschen Fußball. Seine Karriereplanung sah in etwa so aus: Er wollte bei Hertha in der Bundesliga Fuß fassen und später weiterziehen zu den großen Clubs des Weltfußballs. Das ist völlig legitim. Man wird auch bei Hertha gewusst haben, dass ein überdurchschnittlicher Spieler nicht lange für den Verein spielen wird. Eher rieben sie sich in der Geschäftsstelle die Hände, angesichts der Ablösesumme, die er in seinen besten Jahren erwirtschaften könnte. 
    Bei diesem Karriereverlauf wären beide Parteien zufrieden gewesen. Arne Maier, der zu einem großen Verein wechseln würde und Hertha BSC, die für einen selbst ausgebildeten Spieler eine hohe Ablösesumme bekämen. 

    Es läuft selten wie geplant

    Bei Hertha ist mit dem Einstieg des Investors Lars Windhorst viel durcheinandergewürfelt worden. Kein geringerer als der Windhorst-Vertraute Jürgen Klinsmann wurde zunächst in den Aufsichtsrat berufen. Alsbald stieg er in das operative Geschäft ein und fungiert nun als Trainer und neuer, weiterer Leiter in der Sportabteilung. Er wurde mit viel Befugnis ausgestattet und korrigierte die Ziele des Vereins nach oben. Die Zeichen wurden auf Angriff gestellt. Plötzlich wird viel Geld für Spieler in die Hand genommen. Schon in der Winterpause wurden für das zentrale, defensive Mittelfeld (Maiers Stammposition) zwei neue Spieler gekauft. Einer von beiden kommt erst im Sommer, aber er ist verpflichtet.

    Die Verletzungsanfälligkeit von Arne Maier ist die Krux 

    Der momentan mal wieder verletzte Maier konnte mit seinen unregelmäßigen Einsatzzeiten bisher keine Konstante werden. Er muss sogar ersetzt werden können. Vielleicht war das der Impuls für seinen Wechselwunsch.
    Über eines muss sich Arne Maier jedoch im Klaren sein: wenn er wirklich so gut ist und der nächste große Fußballer aus Berlin werden will, muss er sich überall durchsetzen. Mit Verletzungspausen oder ohne.

    Wechseln ist nicht die richtige Strategie 

    Arne Maier macht einen zentralen Denkfehler. Ein Wechsel zu einem schwächeren Club würde den Spieler kaum weiterbringen. Klar, er hätte vermutlich mehr Einsatzzeit. Aber wird ein junges, großes Talent nicht eher geschult, indem es sich seinen Platz erkämpft? Denn das ist es, was erfolgreiche Spieler tun. Großer Konkurrenz wird er sich früher oder später stellen müssen. So funktioniert nun mal Leistungssport.   

  • Schotterplatz #16 Ward ein Håland geboren

    Schotterplatz #16 Ward ein Håland geboren

    Man konnte in Augsburg am 18.01.2019 ab der 56. Minute der Bundesligapartie Augsburg gegen Dortmund Zeuge eines Wunders werden: Ein Spieler namens Erling Braut Håland (So die korrekte Schreibweise in Norwegen) wurde in die Bundesliga gepresst, als hätte die gebärende Mutter Husten gehabt.

    Der Einschlag von Håland kommt nicht völlig überraschend

    Mit einem Dreierpack im ersten Spiel für Borussia Dortmund erfolgte der Einschlag des wuchtigen Norwegers in die höchste deutsche Spielklasse. Håland ist Jung (19), Håland ist groß (1,94) und Håland kam mit Eleganz und der Empfehlung von 19 Treffern in 16 Spielen in der höchsten Spielklasse Österreichs in den Pott. Auch in 6 Champions League Spielen schoss er überdurchschnittliche 8 Tore.

    Der Norweger ist unnormal gut

    Es scheint, als hätte jemand bei dem Konsolenspiel FIFA 20 unter zuhilfenahme von cheats einen Spieler erschaffen und alle Regler auf volle Power gesetzt. So abgeklärt, ballsicher, präsent, agil und torgefährlich agierte der hünenhafte Teenager im Sturmzentrum der Dortmunder gegen Augsburg.

    Was kommt noch auf uns zu?

    Es fällt schwer in Dortmund, diesen Håland nicht zum Auserwählten hochzujubeln. Bronzegießer arbeiten schon an einer riesigen Statue für den Borsigplatz. Zu Unrecht? Naja. Denn wenn der Norweger sich weiterentwickelt wie bisher, könnte in ein paar Jahren die Ablöse – Schallmauer von einer Milliarde geknackt werden.

    Es sei denn, Neymar lernt vorher Trüffel finden oder so.

  • Schotterplatz #15   Klinsmann und Hertha: Wasdas? Passt das?

    Schotterplatz #15 Klinsmann und Hertha: Wasdas? Passt das?

    Einer der ersten Coups von Herthas 125 Millionen Investor Lars Windhorst, war die Einbindung von Jürgen Klinsmann in die sportlichen Geschicke bei Hertha BSC.

    Klinsmann ist schon seit 2004 Ehrenmitglied bei Hertha. Windhorst hat ihm jedoch den Weg als Aufsichtsratsmitglied geebnet, dem er seit dem 8. November 2019 angehört.

    Mehr Kompetenz für den Jürgen

    Bereits am 27. November übernahm Jürgen Klinsmann das Traineramt bei Hertha vom geschassten Ante Covic. Vorerst als Interimstrainer. Er selbst hat zwar nie für Hertha gespielt, aber sein Vater war glühender Hertha Anhänger. Vielleicht reicht das den Fans als Identifikation.

    Frei nach dem Motto „think big“ verläuft bisher die Wintertransferperiode. Für Hertha untypisch große Namen wie Mario Götze, Julian Draxler, Granit Xhaka oder Emre Can fliegen den Berlinern plötzlich um die Ohren. Hoffentlich sind das nur Nebelkerzen, um zu zeigen: Wir könnten, wenn wir wollen…

    Klinsmanns Strahlkraft darf Hertha nicht blenden

    Die neuen Mittel bei Hertha geben dem Verein Luft nach oben, müssen aber gezielt und durchdacht eingesetzt werden. Hertha täte gut daran, sich eher langsam nach oben zu orientieren.

    Klinsmann sollte das wissen. Als seriöser Verantwortlicher muss er sich zusammen mit Manager Michael Preetz darum sorgen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man mit Siebenmeilenstiefeln nach vorne preschen will.

    Herthas erste Tätigkeit auf dem Winter – Transfermarkt klingt dann auch wieder eher nach Hertha, nach Zukunft und nach Vernunft: Der argentinische U23-Nationalspieler Santiago Lionel Ascacíbar wurde vom VfB Stuttgart für marktgerechte 10 Millionen Euro verpflichtet.

    Lieber step-by-step wachsen

    Man schlägt mit solchen Transfers erstmal leisere Töne an. Michael Preetz hat in den letzten Jahren mit klugen Transfers ein wachsendes Kaufmännisches Geschick bewiesen. Eine Neuausrichtung des Vereins sollte ihn nicht von diesem Weg abbringen. Auch er weiß: Das Geld vom Investor ist endlich.

    Hertha muss sich treu bleiben, auch mit Jürgen Klinsmann an Bord

    Das Bild des demütigen Hauptstadtclubs mit guter Jugendarbeit und cleveren Transfers steht Hertha besser als das Bild eines neureichen „Big City Clubs„.
    Es ist immer gut, sich fähige Leute in den Verein zu holen, die an einem Strang ziehen. Es wird sich zeigen, ob sie in Berlin mit Klinsmann ein starkes Zugpferd bekommen haben. Oder einen Ackergaul der schwäbelt und gruselig grinst.

  • Schotterplatz #14 Walerij Lobanowskyj – ein Porträt

    Schotterplatz #14 Walerij Lobanowskyj – ein Porträt

    In Westeuropa assoziiert man mit Valery Lobanowski (so die verbreitete westeuropäische Schreibweise) einen dicklichen, schweigenden Mann mit Schiebermütze und Pausbacken. Eine Art Boris Jelzin an der Seitenlinie. 

    Bei Lobanowski ging anderes als Wodka durch den Kopf

    Lobanowski war die Trainerkoryphäe hinter dem Eisernen Vorhang. Der Ukrainer war ab der Saison 1974 17 Jahre für Dynamo Kiew aktiv. Er war der erste, der Rasenschach spielte, der eigene Spielsysteme entwickelte und die Art des Trainings revolutionierte. Er war seiner Zeit weit voraus. Vielleicht manchmal ein kleines Stück zu weit.

    Ihm gelang es, die russische Dominanz im sowjetischen Fußball zu brechen. Er war wissbegierig und saugte alles auf, was der Sport seinerzeit zu bieten hatte. Er hospitierte Anfang der 70er Jahre bei den führenden deutschen Teams Bayern München und Borussia Mönchengladbach. Er analysierte, kopierte und modifizierte verschiedene Elemente ihres Fußballspiels. 

    Ein Vor- und Querdenker

    Schließlich entwickelte er ein eigenes System. Er löste die damals wichtige Position des Liberos auf und führte eine doppelte Viererkette ein (4-4-2). Ein Nachteil für jedes Team, das mit Libero spielte – wie es bis in die späten 80er Jahre fast alle taten. Der Libero agierte als einziger ohne direkten Gegenspieler, während ihm der Rest der Mannschaft durch eine Manndeckung den nötigen Platz verschaffte.

    Lobanowski knackte das System, indem er mit zwei Viererketten und davor zwei Stürmern spielte. Das etwas statische System um den Libero herum wurde durch ein sehr flexibles Mittelfeld, das keine festen Gegenspieler, sondern Räume abdeckte, überwunden. Die Gegner wetzten ständig konfus Lobanowskis Spielern hinterher. Dieses neuartige System brauchte passende Spieler. Lobanowski legte auf Vielseitigkeit wert: Verteidiger mussten Tore schießen und seine Stürmer verteidigen können. Eigenschaften, die nach wie vor sehr gefragt sind – denn die Grundform 4-4-2 ist bis heute das vorherrschende Spielsystem.

    Vorbild für die ganz Großen

    Lobanowskis größter Erfolg: der zweite Platz bei der EM 1988, den er in Doppelfunktion als Dynamo- und Nationaltrainer mit der Sowjet-Nationalmannschaft erreichte. Erst im Finale mussten sich die „Roten Sputniks“ den Niederländern geschlagen geben, die im Vorrundenspiel noch besiegt wurden.  

    Trainer wie Arrigo Sacchi, Franz Beckenbauer, Thomas Tuchel und Ralf Ragnick zählen Lobanowski zu ihren großen Vorbildern. Vor allem die offensive und attraktive Spielweise der Niederländer, der „Voetbal Totaal“, war durch Spielsysteme inspiriert, die Lobanowski schon früh entwickelte. 

    Visionär im Sozialismus

    Seine visionären Ideen betrafen auch die Trainingssteuerung. Neben einem riesigen Trainerstab, der obendrein andere Sowjet- Athleten betreute, holte er sich den Physik-Professor und Dozenten am Kiewer Institut für Körperkultur, Anatoli Zelentsow, mit ins Boot. Sie durchleuchteten das scheinbar ungeordnete Spiel nach wissenschaftlichen Kriterien.

    In das Trainingszentrum von Dynamo Kiew zog damalige Hochtechnologie ein. Parameter aus dem Trainingsprogramm für sowjetische Kosmonauten werden zum Übungsaufbau herangezogen. Druckkammern, die Höhenluft bis zu 7000 Metern simulierten, beschleunigten die Rehabilitation verletzter Spieler. Über die Fitness wachte Professor Zelentsow, der den aktiven Spielern jeden Morgen die Werte abverlangte und dem kein Bier vom Vortag verborgen blieb. 

    Der Trainer und sein Professor

    Computer wurden gespickt, riesige Datenbanken angelegt, später kamen umfangreiche Archive zahlreicher Magazin- und Fachzeitschriften sowie jede Menge Videomaterial hinzu. Mit Hilfe dieser Daten wurden Gegner analysiert und die jeweilige Taktik zusammengetüftelt. Lobanowski überließ nichts dem Zufall. In Zusammenarbeit mit Zelentsow wurden individuelle Trainingspläne erstellt. Er „formte“ sich die Spieler, die er für sein Spielsystem brauchte. Mit eiserner Disziplin.

    Diese wissenschaftliche und analytische Herangehensweise funktionierte: 1975 wollte Coach Lobanowski sein Dynamo-Team aus Furcht vor einer Blamage zu den Spielen um den europäischen Supercup gar nicht antreten lassen. Selenzow nahm dem Freund die Versagensangst mit dem Hinweis auf die errechneten Daten. Der Gegner werde zum Zeitpunkt des Anpfiffs nicht fit genug sein. Lobanowski gab nach und Dynamo gewann 1:0 und 2:0 gegen Bayern München. 

    Erst verschrottet, dann kopiert

    Nach dem Niedergang der Sowjetunion wurden kritische Stimmen laut und behaupteten, Valery Lobanowski forme in seinem Labor Spieler zu Robotern. Im Laufe der 90er Jahre wurden die seltsamen Methoden des Duos verlacht: Lobanowskis ständige Taktikschulungen und Selenzows Datensammelwut plus seine speziellen Ernährungspläne wurden als schrullig empfunden und als veraltet abgetan. Sie verschwanden im Müll.

    Dabei sind es genau diese Methoden, mit denen heute jedes moderne Ausbildungszentrum arbeitet. Vitalchecks, individuelle Ernährungs- und Trainingspläne gehören zum Standard des Profi-Daseins. 

    Kein Interesse an der ehemaligen Konkurrenz

    Lobanowski blieb vorerst in Kiew, auch wenn ihn viele seiner Schützlinge im Zuge der Perestroika gen Westen verließen. Er wollte nicht in eine der Ligen des Westens. Auch wenn großes Interesse an seinem Wissen und seiner Arbeit bestand.

    Ihn konnten nur die Herrscher und Scheichs der Emirate und Kuwaits mit Gold und Dollars locken, um mit ihm ein Fußball-Reich im Morgenland aufzubauen. Dennoch interessierte ihn vorrangig, wie bei den großen Clubs in Europa gearbeitet wurde. Er wollte stets über Neuerungen in der Trainingssteuerung und die „modernen“ Taktiken Bescheid wissen. Zurückgezogen verfolgte er die Spiele der Champions League. Weil Lobanowski „richtiger Fußball“ liebte und lebte, verließ er den Orient samt seinem Luxus schon nach zwei Jahren wieder.

    Lobanowskis letzte Rückkehr nach Kiew

    Sein alter Club in  Kiew rief 1997 nach Hilfe. Nach einem Bestechungsskandal war Dynamo vom internationalen Wettbewerb suspendiert worden. Der mittlerweile 58-jährige Lobanowski erwies sich als Retter in der Not und brachte den Club wieder auf die Spur. 1999 erreichte Kiew das Halbfinale der Champions League und schied nur knapp gegen den FC Bayern München aus. Im Jahr 2000 übernahm Lobanowski zum dritten und letzten Mal die Ukrainische Nationalmannschaft. Er starb am 13. Mai 2002 mit nur 63 Jahren an einem Schlaganfall. Auf der Trainerbank. Wo sonst?

  • Schotterplatz #13 Wer stößt im Sturm?

    Schotterplatz #13 Wer stößt im Sturm?

    Eine Frage die sich Jogi Löw jedes Spiel aufs Neue stellen muss. Die deutsche Nationalmannschaft hat keinen „richtigen“ Stürmer mehr.

    Keinen Stoßstürmer. Keinen Strafraumstürmer. Niemand, der vorne steht, Gegenspieler bindet und taktisch gekonnt Lücken reißt. Neuerdings auch Box-Stürmer genannt. Es fehlt Jemand, der den schnellen und dribbelstarken Spielern wie Timo Werner, Leroy Sané oder Serge Gnabri Räume öffnet, die sie nutzen können. Ach ja, Tore schießen sollte er als Stürmer auch können. Miroslav Klose war so jemand. Nachdem er nach dem WM-Triumph 2014 mit 36 Jahren unerwartet und viel zu früh zurückgetreten ist, fehlt dem DFB-Team ein Stoßstürmer. Möchte Löw in naher Zukunft einen Titel gewinnen, sollte er einen entsprechenden Spieler finden. 

    Es gibt diesen Stürmertyp in Deutschland kaum

    Es wird dünn, wenn man sich nach Kandidaten umschaut, die sofort helfen könnten. Da gibt es Davie Selke von Hertha BSC. Er war 2014 U19-Europameister und wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt. Das klingt vielversprechend. Der mittlerweile 24-Jährige beweist jedoch jedes Wochenende aufs Neue, dass er kein Interesse an der vakanten Position hat. Anders ist sein Herumgestolpere nicht zu erklären. Im Moment ist er bei Hertha Stürmer Nr. 2 hinter dem 35- jährigen Vedad Ibisevic. 

    Wer käme noch in Frage?

    Ein richtiger Stoßstürmer war Selkes Vorgänger bei Hertha: Pierre-Michel Lasogga. Sein Name fiel damals häufiger, wenn es um die Zukunft im DFB Sturm ging. Der Spieler war aber mittlerweile leider Angestellter des HSV und wurde nach allen Regeln der Kunst verschlissen. Vor allem die Saison 2014/15 setzte ihm zu. Die Hamburger befanden sich im Abstiegskampf. Lasogga wurde Spiel um Spiel trotz muskulärer Verletzungen fit gespritzt. Der HSV durfte aufgrund seiner Tore vorerst in der Liga bleiben. Der Spieler hat sich aber nie wieder von dieser Tortur erholt. Mittlerweile spielt er in Katar beim Al-Arabi Sports Club. Dort leckt er in einer 4. klassigen Liga seine Wunden. Mit gerade einmal 27.

    Denkt man an einen anderen Strafraumspieler mit Physis und Bundesligaerfahrung, kommt einem noch Sandro Wagner in den Sinn. Doch dieser wurde von Löw erfolgreich vergrault. Der heute 31 jährige wurde vor der WM 2018 überraschenderweise ausgebootet. Der Bundestrainer entschied sich damals, nur Mario Gomez (a.k.a. Stolper-Gomez) als Strafraumspieler mitzunehmen. Eine umstrittene Entscheidung. Nach einem kurzen Intermezzo bei Bayern München flüchtete Wagner demonstrativ nach China. Hauptsache weit weg von Jogi Löw. 

    Die Zukunft im DFB Sturm sieht rosiger aus

    Was sagt denn die Zukunft? Es gibt durchaus Kandidaten, die sich für einen Platz im Sturm anbieten. Bewusst wird hier das Wort „Zukunft“ benutzt. Zu nennen wären Cedric Teuchert (22), Janni Serra (22), Aaron Seydel (22), Johannes Eggestein (21) und Jann Fiete Arp (19). Diese Spieler wissen zwar alle wo das Tor steht, aber sie sind jung und unerfahren. Löw braucht clevere Box-Stürmer. Eine Cleverness, die man sich erst aneignen muss. Zudem spielen nur Arp und Eggestein in der 1. Liga. 

    Es bietet sich bisher nur einer für Jogi an

    Jan-Fiete Arp hat vor der Saison auch noch den Selbstzerstörungsmechanismus betätigt. Das vielversprechende Talent ist mit 19 Jahren und der sagenhaften Erfahrung von 18 Bundesligaspielen und 2 Toren vom HSV zum FC Bayern München gewechselt. Dort spielt der momentan beste Stürmer weltweit: Robert Lewandowski. Momentan hält sich Fiete in der Reservemannschaft fit. 

    Kein Wunder, dass die Rufe nach dem Bremer Stürmer Eggestein lauter werden. Man kann auf Löws Reaktion gespannt sein. 2020 ist schon die Europameisterschaft. Bis dahin muss er wohl einen der oben genannten Spieler aufbauen. Nur erspare uns eines, Jogi: nimm nicht wieder Mario Gomez mit!!!  

    Gedankenspiel

    Man könnte versuchen, Robert Lewandowski mit viel Geld dazu bringen, sich einbürgern zu lassen. Dafür müsste der Pole jedoch vorweisen, dass er auf deutschem Territorium geboren ist. Oder ein Elternteil, oder ein Großelt…lassen wir das. Geschichtlich ganz dünnes Eis… Aber zum Glück erfüllt er die zweite Voraussetzung auch nicht. Er darf noch nicht für ein anderes Land gespielt haben. Er hat 2008 für Polen debütiert. Schade.

  • Schotterplatz #12               Juan Román Riquelme –                  ein Portrait

    Schotterplatz #12 Juan Román Riquelme – ein Portrait

    Vielleicht betrat Román die Bühne des Weltfußballs 10 Jahre zu spät. Er war ein Spielmacher alter Prägung. Ein feines Füßchen. Wie an einer unsichtbaren Leine, wich der Ball nicht von Riquelmes Fuß. Außer sein Herrchen wollte es so. Ballannahme, geschmeidige Körperdrehung, dann noch eine und dann der Traumpass.

    Unter dem Radar

    In den späten 90er Jahren des letzten Jahrtausends und in den frühen Nullerjahren dieses Jahrtausends vertraten große Namen wie Gabriel Batistuta, Hernán Crespo, Javier Zanetti oder Diego Simeone den argentinischen Fußball in Europa. Juan Román Riquelme haben hingegen nur die Wenigsten im Notizbuch. Er ist keiner der Spieler, den die Europäer zwangsläufig kennen, geschweige denn als „großen Namen“ im Kopf haben. Beschäftigt man sich einmal näher mit Riquelme, kommt die Frage auf: Warum eigentlich nicht? Vor allem, weil er doch auch in Europa seine Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte.

    Nach zahlreichen Titeln mit den Boca Juniors Buenos Aires, sicherte sich im Sommer 2003 kein geringerer Verein als der FC Barcelona die Dienste des argentinischen Spielmachers. Im besten Fußballalter von 24 Jahren zog es Riquelme also nach Spanien

    Missverständnis Barcelona

    Der damalige Vereinspräsident Barcelonas, Joan Gaspart, hielt große Stücke auf den Star der Boca Juniors. Leider war Riquelme kein Wunschspieler von Trainer Louis van Gaal. Der knurrige Holländer war ein hervorragender Taktiker. Er installierte ein temporeiches Umschaltspiel Alles musste sich seiner Idee unterordnen.

    Román war jedoch ein ruhiger Spielmacher, der es gewohnt war das Spiel zu führen. Der es gewohnt war, dass die Mannschaft sich nach ihm richtet. Das passte nicht in das System van Gaals. Riquelmes unaufgeregtes Spiel mit Ball am Fuß, Tempoverschleppung und Zuckerpässe, das war kein neumodischer Powerfußball.

    Nach nur einem Jahr verließ er die Katalanen wieder. Das Missverständnis wurde geklärt. Obwohl Riquelme alles mitbrachte, was ein Weltklasse Spieler braucht. Ein Virtuose am Ball, geniale Geistesblitze, gefährliche Pässe in die Tiefe. Sein intelligentes Spiel ohne Ball. Seine Abschlussstärke. Er konnte eigentlich alles. Alles, was das Spielsystem van Gaals nicht brauchte. 

    Neuanfang in Villareal

    Nach seinem Aus bei Barcelona zog es Juan Román Riquelme zum FC Villareal. In der Spielzeit 2004/2005 spielte er dann ohne den launischen Van Gaal im Rücken groß auf. Er führte Villareal bis auf Platz drei in der Primera Division und wurde zum besten ausländischen Spieler der Liga gekürt. Das „gelbe U-Boot“, so der Vereinsspitzname, erreichte mit dem Argentinier 2006 das Halbfinale der Champions League. Es ist bis heute der größte internationale Erfolg in der Vereinshistorie. 

    Dennoch brachte es Riquelme außerhalb von Argentinien und Villareal nicht zu großer Bekanntheit. Vielleicht, weil  er nie wirklich einen international beachteten Titel gewann. Vielleicht weil er nur mit einem „kleinen“ Verein in Europa erfolgreich war.

    Ritterschlag von ganz oben

    Eine der vielen Fußballlegenden Argentiniens, Jorge Valdano schwärmte einst sehr poetisch über Riquelme: sinngemäß sagte er, dass Riquelme mit dem Auto lieber die langsamen, schönen Wege fährt um die Aussicht zu genießen, anstatt schnell auf der Autobahn zu rasen um ans Ziel zu kommen. Das trifft es ziemlich genau. Er war ein romantischer Ausnahmespieler. Einer, der das Spiel lieber schön machte und jede Ballberührung auskostete. Der nicht nur auf Effizienz ausgerichtet spielte.

    Ein Spieler, dessen Abgang wie sein Spiel mit dem Ball war. Still und unaufgeregt.

  • Schotterplatz #11                  Wir sind halt einfach Kult

    Schotterplatz #11 Wir sind halt einfach Kult

    Nach dem „Kultverein“ FC St. Pauli aus Hamburg hat nun auch Berlin ein Pendant: den 1. FC Union Berlin. Das sind beides Vereine die sich als Gegenentwurf zum durchkommerzialisierten Profifußball sehen. Ist das ehrlich in dieser Glitzerwelt?

    Falsches Selbstverständnis?

    Um den eigenen Idealen zu entsprechen, müssten die Spieler, die den 1. FC Union in die erste Liga geschossen haben auch dafür kämpfen, dass der Verein dort bleibt. Ein verwegener Haufen von Haudegen und verkannten Feinfüßlern.

    Doch die Vereinsbosse sahen ein, dass es unmöglich ist mit 11 Freunden in der Bundesliga zu bestehen. Das zeigt die Transferstatistik des 1. FC Union. Nicht weniger als elf neue Spieler wurden den Aufstiegshelden vor die Nase gesetzt. Drei Leihspieler wurden fest verpflichtet. Ein anfangs ausgerufener „Klassenkampf“ sieht anders aus.

    Ist man am Ende ein ganz normaler Aufsteiger?

    Unter den Neuzugängen sind einst namhafte Spieler wie Neven Subotic, Christian Gentner oder Anthony Ujah. Das sind allesamt keine Spitzenspieler, aber dennoch gestandene Bundesligaprofis. Typische Spielertypen für einen Aufstiegsverein. Erfahrung braucht man als Neuling.

    Ich wüsste nicht, was Mitaufsteiger SC Paderborn anders macht, als der 1. FC Union. Gut, sie machen nicht so ein Gewese darum, dass sie kaum Geld haben und dennoch versuchen werden, in Liga 1 zu bleiben.

    Image?

    Eine Passage aus der Hymne, die wöchentlich aus tausend Kehlen schallt: „Wir lassen uns nicht vom Westen kaufen!“ wurde mit dem Einstieg eines luxemburgischen Immobilienunternehmens pulverisiert. Deren Name „Aroundtown“ ziert ab dieser Saison die Union – Trikots. Gerade für eine Stadt mit kritischer Wohnungsmarktlage ist dies ein mutiger Schritt.

    Auch in Hamburg

    Beim FC St. Pauli scheint man sich nicht komplett dem Kommerz entziehen zu können. Da wäre das geniale Totenkopf-Merchandise. Mittlerweile zieren Shirts, Tassen und Aufkleber mit dem St. Pauli-Piraten-Logo viele Mittelstandshaushalte. Antikapitalistisch ist daran nichts mehr. Auch der Fanshop in bester Reeperbahn – Lage wird nicht wenig Miete kosten.

    Und nu?

    Daran ist nichts verwerflich. Aber sich selbst als kultigen Underdog zu stilisieren und dennoch voll in einem „Kommerzkonstrukt“ wie der Bundesliga mitzumischen schon. Genau wie jeder andere Bundesligist kauft man Spieler ein und handelt Sponsorendeals aus. Gibt es etwas kapitalistischeres und kommerzielleres als ein Immobilienunternehmen? Oder schafft man, wie in Hamburg, Stehplätze nach und nach ab? Weil sie zu unbequem sind für reiche Ärsche?

    Tut mir einen Gefallen, werter FC St. Pauli und werter 1. FC Union: Lügt euch nicht in die eigene Tasche.

  • Schotterplatz #10                Wie mich Berlin auf dem falschen Fuß erwischte

    Schotterplatz #10 Wie mich Berlin auf dem falschen Fuß erwischte

    Frauen WM also. Nicht, dass ich ein generelles Verbot für Frauenfußball fordere. Ich will es bloß nicht sehen.

    Ich fand es immer lächerlich, dass eine Frauen WM oder EM so stark beworben wird. Guckt doch eh keiner. Ob in Berlin-Schöneberg überhaupt irgendjemand mitbekommen hat, dass aktuell die WM der Damen läuft? Vielleicht. Aber wie Deutschland spielt? Ganz sicher nicht. Recherchen vor der eigenen Haustür – ich wage mich ins Feld. Getrieben der festen Überzeugung, dass sich hier nix und niemand für die weiblichen Kickerinnen interessiert

    Ich nahm mir ein Buch mit, damit ich mich lesend stellen konnte. Ich könnte mir meine Gesprächspartner dann leichter raussuchen. Gedacht, getan.

    Erste Lehrstunde

    Als erstes nähere ich mich einer Gruppe Jugendlicher. Halbstark. Am Kiffen. Was man halt so macht mit 17, 18. Ein einziges Mädchen mit dabei. Ich male mir aus, wie die Jungen großmäulig auf Frauenfußball herumhacken, während das Mädel verschüchtert daneben sitzt. 

    Ich also:

    „Jungs, darf ich euch mal was fragen? Wisst ihr, was gerade für ein Turnier läuft?“

    Wie? Leichtathletik oder was?(Haha, ich hatte sie!)

    „Nein, ein Mannschaftssport. Turnier.“

    „Ach, Sie (Du!)meinen Fußball? Frauen-WM oder was?“ (Verdammt…)

    „Wie findet ihr denn Frauenfußball? Guckt ihr das?“

    „Also, wenn ich vom Fußballtraining komme und mich kurz ausruhe, gucke ich mir das schon an.“

    „Aber das ist doch viel langweiliger als Männerfußball. Die Nationalmannschaft der Frauen verliert doch gegen jede bessere B-Jugend.“

    „Ja natürlich, die sind ja auch vom Körper her schwächer. Ist halt so“

    Die ganze Runde nickt zustimmend. 

    Das Mädchen hatte bisher geschwiegen, also frage ich sie nach ihrer Meinung zur Frauen-WM.

    „Nix.(Ha!) Mag keinen Fußball. Ich mache Boxen.“(Oh, okay.) 

    Soso, der Nachwuchs heute ist dem weiblichen Profisport auf dem Platz gegenüber also aufgeschlossen – oder zumindest an beiden Geschlechtern gleichermaßen desinteressiert. Oder hatten die Jungs nur Angst vor ihrer boxenden Begleiterin und haben sich deshalb nicht getraut über Frauenfußball zu lästern?

    Einschätzungen aus dem Inneren einer Erdbeere

    Ich setze meine investigative Reise fort. Vor mir taucht eine riesige Erdbeere auf. Darin eine Verkäuferin, die aufgrund der hohen Außentemperaturen, die sich in der nichtklimatisiserten Erdbeere vervielfachen, schwitzend vor sich hin starrt. 

    „Hallo, haben Sie Lust, sich mit mir über Frauenfußball zu unterhalten?“

    „Über watt?“ (Aha!)

    „Im Moment läuft die Frauenfußball-WM. Wie ist Ihre Meinung dazu? Finden Sie, dass dieses Event zu viel beworben wird? Und was denken Sie darüber, dass das Ganze durch die allgemeinen Rundfunkgebühren finanziert wird?“

    „Also, so doll können se ja nich jeworben haben, sonst wüsste ick ja davon. Und unsere Rundfunkgebühren…Hörnse uff. Wir zahlen doch für jeden Scheiß, der da kommt. So lang se Rote Rosen nich absetzen, ist mir dit ejal. Ick muss jetzt ooch weitermachen.“

    Kurz und ehrlich. Na gut.

    Beste Leben Dank voll guter Quote

    Ich schlurfe weiter. Hipster Café. Davor eine Gruppe muskelbepackter Araber.

    „Hey, Leute! Ich wollte euch mal über etwas befragen. Habt ihr kurz Zeit?“

    „Über Gangkriminalität, wa? Dann verpiss dich!“

    „Nee, ich wollte eigentlich über Frauenfußball reden. Wisst ihr, dass gerade WM ist?“

    „Haha, ja, man. Gibt voll gute Quoten im Wettbüro! Geh ma gucken. Hab gestern 500 Euro gewonnen, Junge.“

    „Aber nervt euch der ganze aufgezwungene Hype nicht? Zu viel Werbung im Fernsehen und so?“

    „Kein Plan. Ich gucke kein deutsches Fernsehen. Nur Satellit.“

    Ok. Hier ist wohl auch kein seriöser Stimmfang möglich. Ich verabschiede mich höflich. Einer ruft mir laut hinterher: 

    „…und Wettbüro! Beste Leben, ja?!“

    Vermutlich will er damit ausdrücken, dass er momentan eine Glückssträhne beim Sportwetten hat. Gut, bei Frauenfußball… Man kann ja mittlerweile auf alles wetten.

    Kaffeeservice für Kickerinnen? Historische Niederlage!

    Kritische Stimmen zur Fußball-WM der Frauen? Fehlanzeige! Da entdecke ich eine Passantin, von der ich aufgrund ihres Erscheinungsbildes vermute, sie sei sie gänzlich gegen Kommerz. Aber kann ich mich überhaupt noch auf meine Einschätzungen verlassen? Bisher wurde ich von allen Seiten eines besseren belehrt. Naja, einen Versuch ist es wert.

    „Hallo! Ich höre mich gerade mal wegen der Frauenfußball-WM um. Wissen Sie, dass die gerade ist?“ 

    „Nein, das wusste ich nicht.“

    „Finden Sie das gut, dass so viel Werbung überall ist und so ein Tamtam darum gemacht wird?“

    „Ja, na klar. Ich kann das nur gutheißen mit der Werbung. Endlich wird das mal ebenbürtig übertragen und beworben. Wissen Sie, dass die bei ihrem ersten Titel ein Kaffeeservice bekommen haben? Das ist doch eine Frechheit, finden Sie nicht?“ 

    „Ja klar, das kann wirklich nicht angehen!“

    „… und überhaupt, haben Sie schonmal darauf geachtet, was hier los ist, wenn eine Männer-Weltmeisterschaft ist? Also, dann wird es ja richtig pervers mit der Werbung. Dann kann man wirklich nirgendwo hingucken, ohne mit Fußball konfrontiert zu werden!“

    Damit hatte ich nun wirklich keinen Wind mehr in den Segeln.

    Ehrliches Leder, statt goldener Kuhhaut

    Etwas abgekämpft von meinem investigativen Spaziergang mache ich Pause an einem Späti. Ich habe mir ein kühles Bier verdient. Das war bisher wirklich ernüchternd. Gibt es denn wirklich niemanden, dem die ganze Scheiße auch auf den Sack geht? Oder ist mein Desinteresse gegenüber dem Frauen-Fußball wirklich zu radikal?

    Zwei Bauarbeiter kommen an meinen Stehtisch in der Sonne und öffnen ihre Biere. Mich interessiert, was die beiden über Frauenfußball denken – mich kann heute nichts mehr schocken. Also frage ich so ehrlich wie direkt:

    „Sagt, was haltet ihr denn von Frauenfußball? Wisst ihr eigentlich, dass gerade WM ist?“ 

    „Klar, wir jehn glei kieken.“

    „Aber warum? Das macht doch keinen Spaß. Das ist viel zu langsam. Das ist doch kein Spitzensport“, platzt es aus mit raus.

    „Kleener, dit is uns aber ejal. Die trainieren jenauso viel und müssen noch nebenbei arbeiten. Die sind sind alle beie Bulln oder beie Armee. Die müssen arbeiten jehn und der Ribéry jeht hier n joldenet Schnitzel essen.“

    (Tja, Froonk (Ribéry), das wirste nicht mehr los. War zwar ein Steak mit Blattgold, aber das fliegt dir jetzt um die Ohren.) 

    „Die sind alle überbezahlt. Dit is doch pervers. Dann kiek ick lieber ehrlichen Fußball. Auch wenns langsamer ist. Dit sind unsere Mädels! Die reißen sich wenigstens den Arsch uff! Unterstützung!“

    Sie hatten mich. Bauarbeiter, die Unterstützung für den ehrlichen Frauenfußball proklamierten. Und ich? Voll von Vorurteilen und einer sportlichen Einstellung von anno 1972. Ehrlichkeit und Herz plus der sportliche Gedanke zählen für die meisten halt doch mehr. 

    Beim Männerfußball wird ja mittlerweile der Sport dem Kommerz untergeordnet. Mafia-ähnliche Strukturen bei der FIFA. WM-Vergaben in Wüsten- und Schurkenstaaten. Es ist alles das, was Sport nicht sein soll: ungerecht, unsportlich und damit vielleicht tatsächlich auch überbewertet.

    Ich denke, ich sollte mir vielleicht auch mal ein Spiel ansehen. Oder wenigstens drauf wetten…



  • Schotterplatz #9            Warum denn das auf einmal?

    Schotterplatz #9 Warum denn das auf einmal?

    Union und Hertha als erbitterte Feinde? Als verbissene Kämpfer um die Vorherrschaft in Berlin? Nun, die älteren Fans werden sich vielleicht erinnern: Das war nicht immer so.

    Im Gegenteil. Vor der Wende bestand etwas, was man heute als „Fanfreundschaft“ bezeichnen würde. Zwischen den Anhängern des 1. FC Union und Hertha BSC gab es offene Sympathiebekundungen in Form von Bannern und Gesängen. Sogar die Farben der befreundeten Fanlager sah man in beiden Stadien.

    Warum überhaupt?

    Der 1 FC. Union war damals DER Verein, für Oppositionelle in der DDR. In einer anonymen Menschenmasse ließ es sich besser protestieren. Die größte „Feindschaft“ bestand mit dem als Stasi-Club verhassten Berliner Fußball Club Dynamo. Damals noch Konkurrent in der höchsten Spielklasse der DDR.

    Deshalb war eine freundschaftliche Verbindung mit einem Westverein nur logisch. Mitglieder der Fanklubs beider Mannschaften trugen die Schals, Mützen und Westen in den Farben des befreundeten Klubs. Auf den Aufnähern standen offen politische Statements: „Freunde hinter Stacheldraht“ oder „Hertha und Union – eine Nation“

    Unterstützung wo es ging

    In den 1970er Jahren gab es erste Kontakte, wenn Hertha in der DDR oder in den Ostblockstaaten Europacup-Spiele bestritt. Stets befanden sich auch Unionfans unter den Zuschauern. Wenn die Hertha-Anhänger die Ostberliner Kolleginnen und Kollegen bei Oberligaspielen besuchten, brachten sie Fanutensilien mit und versorgten Fans aus Ostberlin mit Fußballsammelartikeln und Informationen über die neuesten Fan-Trends in den Stadien Westeuropas.

    Höhepunkt der Freundschaft war wohl das Uefa-Cup-Viertelfinale 1979. Gegen die Mannschaft von Dukla Prag erreichte Hertha im Hinspiel nur ein mageres 1:1. Hertha drohte aus dem Europapokal zu fliegen. Die Partie in Prag allerdings, wurde fast zum Heimspiel für die West-Berliner.
    Von den 30.000 Zuschauern im Dukla-Stadion bestand rund die Hälfte aus Union- und Herthafans. Die Schlachtenbummler reisten sogar gemeinsam an. Die Herthaner fuhren vom Bahnhof Zoo los und sammelten am Ost-Berliner Bahnhof Schönefeld, wie abgesprochen die Union-Fans ein. In Prag vernahm man dann deutlich den Schlachtruf „Hertha und Union“.

    Doch wie kam es zum Bruch?

    Wie wurden diese beiden wunderbaren Vereine zu feindlichen Konkurrenten? Am 27. Januar 1990 kam es endlich zu der berühmten Partie im Olympiastadion, die als „Wiedervereinigungsspiel“ bezeichnet wurde. In Anwesenheit von über 50.000 Zuschauern gewann Hertha 2:1. Noch feierten die Fans beide Vereine. Das Rückspiel in der alten Försterei fand aufgrund von Umbauarbeiten und Terminproblemen erst im August statt. Angesichts einer Zuschauerzahl von gerade einmal 4000 Fans sah man schon erste Anzeichen der gegenseitigen Gleichgültigkeit. Keiner weiß genau warum. Es war quasi wie bei einer Ehe. Die alte „Freundschaft hinter Stacheldraht“ geriet bald in Vergessenheit. Es entwickelte sich eine neue Fan-Generation, die die alten Zeiten nicht mehr erlebt hat. Mittlerweile kennt man nur die Rivalität zweier Vereine um eine Stadt.

    Das ist schade und wie bei jeder zerbrochenen Beziehung könnte man sich sagen: Wir bleiben Freunde. Wir versuchen es zumindest …

  • Schotterplatz #8                 Dann war er plötzlich weg

    Schotterplatz #8 Dann war er plötzlich weg

    Warum ist Rugby bei uns nicht MEHR populär müsste man fragen. Denn immerhin war das Spiel im 19. Jahrhundert eine der ersten Rasensportarten in Deutschland. Der Sport erfreute sich anfangs größerer Beliebtheit als Fußball. Bei den II. Olympischen Spielen der Neuzeit, im Jahr 1900 wurde Deutschland zweiter. 1934 war man Gründungsmitglied des ersten internationalen Rugby-Verbandes.

    Wie bei so vielen schönen Entwicklungen damals, kam die NS – Zeit dazwischen. Da Rugby, genau wie Fußball, als britischer „Feindsport“ angesehen wurde, stoppte man den Siegeszug relativ abrupt. Man ging rasch zu kriegswichtigen Leibesübungen ohne Bälle über.

    Nach dem Krieg lag der „deutsche Rugby“ am Boden. Die meisten Spieler waren gefallen und es gab keine Infrastruktur mehr für diesen Sport.

    In Ländern wie Italien oder Frankreich hielt der Siegeszug des Rugby an. Er entwickelte sich parallel zum Fußball zu einem Volkssport. In den Ländern des Commonwealth nahm Rugby oft Platz eins der beliebtesten Sportarten ein.

    Die Begeisterung für Rugby wurde seit jeher, sehr regional gelebt. Im damals für den Wiederaufbau der BRD wichtigem und bevölkerungsreichstem Bundesland, Nordrhein-Westfalen, hatte der Rugby keine Lobby. Stattdessen übernahm Fußball den Platz als Volkssport Nummer eins.

    Was in Frankreich und Italien immer als Schulsport zählte, war nach Ansicht der Entscheider für deutsche Schulen zu körperlich und hart. Wir wurden und werden also auch nicht zu einer Rugbynation erzogen.

    Das ändert sich nun allmählich. Angesichts der medialen Aufmerksamkeit und der Beliebtheit des Sports, wird es langsam Zeit für Deutschland umzudenken.

    Das Six Nations – ein jährlich ausgetragenes Turnier der 6 größten Rugby-Nationen ( England, Frankreich, Irland, Italien, Schottland und Wales ) – war laut einer Studie der UEFA ( 2015 ) das bestbesuchte Sportevent weltweit. Im Schnitt besuchten 72.000 Zuschauer die 15 Matches des Rugby-Union-Turniers.

    Der Zuschauerschnitt des traditionsreichen Rugby-Turniers liegt damit im Ranking noch vor der NFL und der Fußball-WM.

    Übrigens wurde das Six Nations schon einmal erweitert. Es hieß bis zum Jahr 2000 „Five Nations“. Mit der Aufnahme Italiens änderte sich logischerweise auch der Name. Wie auch immer – vielleicht heißt es ja bald 7 Nations? Wir arbeiten dran…